Mit 60 Jahren machte Jürgen Patig das erste Mal die leidvolle Erfahrung, auf dem Arbeitsmarkt zum alten Eisen zu gehören. Der Arbeitslose nahm deshalb Holz in die Hand und wagte mit einem Symbol vom Ende des Lebens einen Neuanfang. Das Motto des Ex-Lehrers: Zeige mir dein Grabmal, so sage ich dir, wer der Verstorbene war. Nicht nur dem Namen nach.Ein Friedhofs(spazier)gänger war Jürgen Patig aus Grimma nicht. Doch nachdem seine geliebte Frau Sieglinde an Krebs gestorben war, trauerte er oft an ihrem Grab. Er wollte in ihrer Nähe sein. Trost finden. Und wenn er so gedankenversunken seine Blicke über die Gräber schweifen ließ, verfolgte er auf dem Friedhof die Spur der Steine. Entsetzt war er über ihre Gleichheit heutzutage. “Jeder Mensch ist einmalig. Das sollte trotz strenger Friedhofsordnung auf seinem Grab zum Ausdruck kommen”, meint er bestimmt. Weil die Zeit des Trauerns auch immer eine Zeit des Erinnerns ist, fiel ihm dabei ein, wie er einst als Junge nach der Schule einem alten Holzschnitzer auf die Finger geschaut hatte. “Er fertigte damals viele Holzkreuze für Gräber”, denkt Jürgen Patig zurück. Rund 50 Jahre später nun belebt er die inzwischen selten gewordene Tradition des Holzgrabmals neu. “Holz ist ein bisschen wie wir: Es lebt, strahlt Wärme aus und ist vergänglich”, philosophiert er in der Werkstatt im umgebauten Keller seines Einfamilienhauses. Hier entstehen die kleinen Kunstwerke: An einen Hotelier erinnert ein säulenumrahmtes Kreuz mit Weinmotiven. Im Andenken an ein nur wenige Monate alt gewordenes Mädchen entwarf Jürgen Patig einen stilisierten Engel. “Die Mutti kam zu mir, hatte noch keine richtige Vorstellung, wie das Grabmal aussehen sollte”, erzählt er. “Sie sagte jedoch im ersten Satz: ,Unser Engelchen ist gestorben.’ Und sofort wusste ich, dass ich einen Engel fertigen werde.” Inzwischen steht er auf einem Friedhof bei Riesa. Und fällt auf. Wie alle Unikate des ehemaligen Deutsch- und Kunsterziehungslehrers, der sich vom Entwurf bis hin zur Genehmigung und Aufstellung des Grabmals kümmert.
Innerhalb eines Jahres hat es der in sich Ruhende geschafft, mit seinen etwas anderen Trauer-Arbeiten weit über die sächsischen Friedhöfe hinaus zu einer ersten Adresse für Hinterbliebene zu werden, die für ihre Verstorbenen ein hölzernes Grabmal bevorzugen “oder mit einem Stein auch in finanzieller Hinsicht an Grenzen stoßen würden”, weiß Jürgen Patig.
Und er berichtet von einer Frau aus Wilhelmshaven, die sich für ihren Vater, der Tischler und Jäger war, ein Grabmal mit zwei aus dem Röhricht aufsteigenden Enten wünschte. Der kreative Sachse machte es zu einem fairen Preis möglich. Die Kosten für ein jeweils kupferabgedecktes Grabmal liegen je nach Holzart, Größe und Aufwand zwischen 260 Euro und etwa 1800 Euro. Übrigens, Jürgen Patig plant, für sich selbst schon zu Lebzeiten ein Holzgrabmal zu fertigen. “Es soll auf alle Fälle eines mit Augenzwinkern sein”, verrät er und hofft, dass dies dann noch recht lange als Muster in seiner Werkstatt stehen wird.
Kontakt: Telefon: 0 34 37 / 94 47 72 oder https://www.holzgrabmale-patig.de/
Thomas Gillmeister